2.3 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage GN: (Aggregate Demand: AD)

Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage Y D in einer offenen Volkswirtschaft setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

Y D = C + I + G + NX,

wobei:

C = der aggregierte Konsum der Haushalte

I = die Bruttoinvestitionen der Unternehmen

G = die Staatsnachfrage und

NX = die Nettonachfrage des Auslandes (Exporte – Importe) darstellen.

Die Kurve der aggregierten Nachfrage stellt die Menge aller Waren und Dienstleistungen dar, die in einer Volkswirtschaft bei verschiedenen Preisniveaus nachgefragt werden. Die grafische Gestalt im AS-AD-Modell, also die Abhängigkeit der aggregierten Nachfrage von einer Veränderung des Preisniveaus, ergibt sich aus dem IS-LM Modell. Dazu betrachten wir den Gütermarkt

IS : Y = C(Y T) + I(Y,i) + G + NX

und den Geldmarkt:

LM : M P = Y L(i).

Die Kombination der beiden Gleichungen ergibt einen negativen Zusammenhang zwischen Preisniveau und realem Sozialprodukt. Die negative Steigung der Kurve lässt sich vor allem durch drei Effekte erklären: (1) den Keynes-Zinseffekt, (2) den Pigou-Vermögenseffekt und (3) den Mundell-Fleming-Wechselkurseffekt. Der Zinseffekt ist der wohl offensichtlichste und wichtigste Effekt und lässt sich direkt an den Gleichungen ablesen.

Keynes-Zinssatzeffekt
John Maynard Keynes (1883-1946) führt den Begriff Transaktionskasse ein, um die Auswirkung einer Preisniveauänderung zu verdeutlichen. Ein steigendes Preisniveaus veranlasst die Haushalte zu einer Aufstockung der Transaktionskasse, da bei gleichbleibender Gütermenge mehr Geld für Zahlungen benötigt wird. Dazu werden die Haushalte einen Teil ihrer verzinslichen Vermögenswerte liquidieren. Dies führt zu sinkenden Wertpapierkursen und c.p. steigenden Zinsen (Geldmarkt). Der höhere Zinssatz wiederum reduziert die Anreize für Unternehmen zu investieren. Dies führt letztendlich zu einer geringeren Gesamtnachfrage (Gütermarkt). Im Falle eines Rückgangs des Preisniveaus führt die analoge Überlegung zu einem Anstieg der Nachfrage.
Pigou-Vermögenseffekt
Arthur Pigou argumentiert über das subjektive Empfinden der Vermögensinhaber. Bei gegebenem Geldangebot M führt eine Preisniveausteigerung zu niedrigeren realen Kassenbeständen der privaten Haushalte. Die Konsumenten fühlen sich ärmer und reduzieren ihre Ausgaben. Die Gesamtnachfrage sinkt. Umgekehrt erhöht eine Preisniveausenkung die realen Kassenbestände und führt zu einem Anstieg des privaten Konsums und dadurch zu einer höheren aggregierten Nachfrage. Beispielsweise ist der Geldbetrag in einem Portemonnaie nominal eindeutig festgelegt. Bei sinkenden Preisen steigt die damit erwerbbare Gütermenge. (Die Budgetgerade schiebt sich nach außen.) Das gestiegene Kaufpotential bewirkt, dass man sich reicher fühlt und mehr Güter kauft.
Mundell-Fleming-Wechselkurseffekt
Die Veränderung des Zinssatzes, welche durch eine Veränderung des Preisniveaus induziert wird, führt im Modell von Mundell und Fleming zu Effekten auf den internationalen Märkten, welche dann die Gesamtnachfrage beeinflussen. Der Mundell-Fleming-Wechselkurseffekt beruht auf folgender Wirkungskette: Sinkende Zinsen im Inland erhöhen die relative Attraktivität von Anlagen im Ausland und führen somit zu einem Kapitalabfluss. Auf dem Devisenmarkt steigen das Angebot an inländischer Währung und die Nachfrage nach ausländischer Währung und führen zu einer Abwertung der inländischen Währung. Die relative Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen gegenüber dem Ausland verbessert sich. Inländischen Produkte werden für das Ausland günstiger und ausländische Produkte werden für Inländer teurer. Exporte steigen und Importe fallen. Insgesamt steigen die Nettoexporte und somit auch die Gesamtnachfrage an. Umgekehrt führt ein Zinsanstieg zu Kapitalzuflüssen und einer Aufwertung der inländischen Währung. Exportartikel werden für das Ausland teurer und die Exporte sinken, während Importe billiger werden und zunehmen. Die Nettoexporte und die aggregierte Nachfrage sinken.
Verschiebung der AD-Kurve: Nachfragepolitik und Nachfrageschocks, Geldpolitik und Fiskalpolitik
Die aggregierte Nachfragekurve stellt die Änderung der nachgefragten Menge in Abhängigkeit vom Preisniveau dar, d.h. eine Änderung des Preisniveaus führt zu einer Bewegung entlang dieser Kurve. Die Änderung anderer Größen, z.B. der Geldmenge oder der Staatsnachfrage, führt zu einer Verschiebung der Nachfragekurve, da sich die nachgefragte Gütermenge zu jedem Preisniveau ändert. Neben Geld- und Fiskalpolitik können auch exogene Schocks die AD-Kurve verschieben. Beispiele für Schocks sind kriseninduzierte Verhaltensänderungen, Krieg, eine Veränderung der Auslandsnachfrage oder boomende Assetmärkte. Die unten stehende Graphik mit den entsprechenden Reglern stellt die Reaktionen dar.

Dabei führen kriseninduzierte Verhaltensänderungen (Sparen) und die Reduzierung der Auslandsnachfrage (z.B. Wirtschaftskrise im Ausland) zu einer Linksverschiebung der AD-Kurve, da sich zu jedem gegebenen Preisniveau die Nachfrage verringert und Krieg (Rüstungsausgaben) und Aktienmarktblasen (wachsender Reichtum) zu einer Rechtsverschiebung durch zunehmende Nachfrage. Eine expansive Geldpolitik (Geldmengenausweitung und Zinssenkung) führt über den Zins-, den Vermögens- und den Wechselkurseffekt zu einer stärkeren Nachfrage, also einer Rechtsverschiebung. Eine restriktive Geldpolitik c.p. zu einer Linksverschiebung.

Eine expansive Fiskalpolitik (Steuersenkung, Erhöhung der Staatsausgaben) steigert indirekt über einen höheren privaten Konsum (die Bürger haben ein höheres verfügbares Einkommen) oder direkt zu einer höheren aggregierten Nachfrage, also einer Rechtsverschiebung.


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